Im Panel Gerolf Hanke (Öko-Institut), Annabella Yakab (Netzwerk Flächensicherung) und Urs Mauck (Netzwerk Market Gardening / Relavisio) – hier ihre Positionen zu unseren Fragen:
Gerolf Hanke (Öko-Institut)
1) Was ist Agrikultur für Dich?
Bei Agrikultur – da stecken der Kulturbegriff und die Agrarproduktion drin. Für mich ist Agrikultur positiv konnotiert, ich denke an Ökologische Landwirtschaft, daran wie menschliche Kultur in Landwirtschaft drinsteckt.
2) Was macht zukunftsfähige regionale Versorgungsstrukturen aus? Was braucht es, sie zu bilden?
Das Kooperative, einfach regional reicht nicht. Es muss das grosse Ganze dabei sein und das funktioniert im sozialen Nahbereich besser, man sieht, was man macht. Es braucht Wertschätzung für die so erzeugten Produkte, auch finanzieller Art. Ausserdem braucht es den Abbau der Unterstützung des Falschen. Das Gute entsteht vor allem, wenn es gelassen wird.
3) Was ist Dein Steckenpferd, das Du hier präsentiert hast und das Dich begeistert?
Ich habe die politische Brille auf, ich mache politische Beratung. Manchmal ist dies frustrierend, weil das Drehen an den grossen Rädern zäh ist. Doch es ist eine notwendige Ergänzung der kulturellen Bottom-Up-Prozesse. Ab einer gewissen Reife brauchen Bewegungen die politische Unterstützung, damit sie in die Breite kommen. Gute Ideen entstehen nicht in der Politik, doch sie können von ihr aufgegriffen und verbreitert werden.
Wünsche an die gute Fee:
Bei der GAP (Gemeinsame EU-Agrarpolitik) Vernetzungsstrukturen aufbauen und schnell zu Verbesserungen kommen. Ideen, die da sind in die Breite bringen.
Annabella Yakab, Netzwerk Flächensicherung
1) Was ist Agrikultur für Dich?
Agrikultur – da steckt der Kulturaspekt drin, die Teilhabe der Gesellschaft, die Ernährungssouveränität. Die Kultur mitzugestalten, auf die Bedürfnisse der Menschen, die in diesem Jahrhundert leben, anzupassen. Kultur ist was die Menschen daraus machen. Selber bestimmen, was wir konsumieren und verzehren von der Fläche, Einfluss nehmen auf Kulturlandschaft, denn es geht dabei nicht nur um Naherholung, sondern auch um Nahrungsmittelproduktion und darum resiliente Systeme in der eigenen Region zu stärken.
2) Was macht zukunftsfähige regionale Versorgungsstrukturen aus? Was braucht es, sie zu bilden?
Ich habe ein grosses Interesse für Boden, nicht dafür wie er verteilt wird, sondern auch wie wir mit ihm umgehen. Boden ist ein komplexes Ökosystem, welches wir (wieder) aufbauen und von dem wir leben können. Auch wir sind Teil eines Ökosystems. Es ist immer ein Zusammenspiel komplexer Systeme; es geht nicht darum, dass der Gärtner einfach mehr Gemüse produziert, sondern dazu gehören dann auch eine gute Logistik und Vermarktung. Investitionsförderprogramme für Landwirte, die es anders machen wollen, helfen. Doch entscheidend ist auch, die Steine aus dem Weg zu räumen. Hier braucht es die Kooperation zwischen einzelnen Branchen, der öffentlichen Hand und der Lokalpolitik. Sie müssen ihre Hebel einsetzen, damit Akteure, die neue Strukturen regionaler Versorgung aufbauen wollen, Unterstützung erhalten. Entscheidend ist auch ein gegenseitiges Verständnis zu entwickeln, herauszufinden, was es braucht. Zusammen ein System entwickeln, das sich in der Fläche trägt und das von allen aufgenommen wird. Das Beispiel Ökologische Vorrangflächen – auf manchen Betrieben sind sie einfach nicht sinnvoll integrierbar. Da müssen andere Lösungen gefunden werden. Jede Region hat andere Herausforderungen, entsprechend müssen auch die Fördersysteme regional angepasst sein.
3) Was ist Dein Steckenpferd, das Du hier präsentiert hast und das Dich begeistert?
Ich komme aus einer Bottom up Bewegung, ich habe Ökolandbau studiert und komme von einem Gemüsebaubetrieb. Der Boden ist für mich die Grundlage allen Lebens. Die Motivation für mein Engagement ist, dass ich möchte, dass der Boden gut behandelt, aufgebaut und erhalten wird für nachfolgende Generationen. Dass die Ernährung in Deutschland gewährleistet werden kann und wir nicht in 30 Jahren vor staubtrockenen Äckern stehen. Jetzt haben wir noch die Möglichkeit zu verstehen, wie die Systeme funktionieren, dieses Wissen anzuwenden und auch Flächeninhaber dafür zu sensibilisieren, dass Flächen besitzen bedeutet zur Ernährungssouveränität beitragen zu können. Gerade auch bei den öffentlichen Flächeneigentümern möchten wir mit unserer Arbeit Verständnis schaffen für eine gute Bewirtschaftung des Bodens. Damit sie ihre Verantwortung übernehmen für öffentliche Flächen als Gemeinwohl. Die „gute fachliche Praxis“ steht in jedem Pachtvertrag, doch gelebt und überprüft wird sie nur selten.
Wünsche an die gute Fee:
Das Grundstücksverkehrsgesetz und Agrarstrukturgesetz anwenden, ich wünsche mir das Dinge umgesetzt werden in der Fläche. Dass das wovon wir reden auch gemacht wird. Ins Tun kommen.
Ich wünsche mir, dass die öffentlichen Flächeneigentümer verstehen, dass lokale Flächenvergabepolitik Ernährungspolitik ist. Dass sie alles in der Hand haben, um dem Klimawandel entgegenzuwirken und eine lebenswerte Umwelt zu gestalten.
Urs Mauck, Netzwerk Market Gardening / Relavisio
1) Was ist Agrikultur für Dich?
Agrikultur hat verschiedene Ebenen, da ist einerseits der praktische Umgang mit dem Boden und die Produktion von Nahrungsmitteln. Agrikultur hat andererseits was mit der Pflege von Ökosystemen und Umwelt zu tun und beinhaltet auch handwerkliche und gesellschaftskulturelle Aspekte. Essen ist ja Kultur, ist nicht nur ernährungsphysiologisch wichtig sondern hat auch einen sozialen Aspekt.
2) Was macht zukunftsfähige regionale Versorgungsstrukturen aus? Was braucht es, sie zu bilden?
Bei Regenerativer Landwirtschaft geht es darum, über die Produktionsweise Bodenfruchtbarkeit und darüber hinaus funktionierende Agrar-Ökosysteme aufzubauen, die sich selber erhalten, die stabil sind und die selber wachsen, so dass mehr Energie, mehr Leben, mehr Produktivität entsteht. Als Nebeneffekt gesunder Agrar-Ökosysteme entstehen Ressourcen, die wir als Menschen nutzen können. Jede Pflanze kreiert einen Überschuss, den sie nicht mehr braucht.
Energie-Akkumulation – Sonnenenergie wird in Form von Biomasse und Leben gespeichert.
Wenn man das gut pflegt, dann kann man etwas entnehmen ohne dass das System darunter leidet bzw. weniger wird. Denn es wird ein Überschuss generiert.
In der öffentlichen Diskussion fokussieren wir uns auf CO2 und andere Klimagase, das ist gut zu vermitteln und rüttelt die Leute auf. Doch ich glaube nicht, dass CO2 das drängenste Problem, ist, das wird haben, sondern dass wir in einer mega krassen Weise Ökosysteme zerstören / schädigen, so dass sie sich nicht mehr regenerieren und diesen Überschuss dann nicht mehr generieren.
Wir können uns Ökosysteme auf unserem Planeten vorstellen wie die Organe in unserem Körper. Und wir wissen, was es bedeutet, wenn Organe geschädigt sind. Wir sind jetzt an diesem Punkt, wo der Planet, auf dem wir leben mit seinen Ökosystemen, nicht mehr richtig funktioniert.
Und diese Idee, dass Landwirtschaft vielleicht noch ein bisschen CO2 speichern kann…. Aus meiner Sicht ist es so, dass es wenn es gut läuft, der Überschuss ausreicht, um die Energie zu ersetzen, die wir verballern. Nicht mehr. Denn auch regenerative Landwirtschaft verbraucht Energie.
3) Was ist Dein Steckenpferd, das Du hier präsentiert hast und das Dich begeistert?
Das ist die Regenerative Landwirtschaft und da vor allem die Bodenfruchtbarkeit. Im Kern geht es mir darum, zu vermitteln, dass Regenerative Landwirtschaft eine Haltung ist, und kein Massnahmenkatalog. Es geht um ein Verständnis darüber wie Boden funktioniert. Wie die Interaktion zwischen Pflanzen und Mikroorganismen im Boden passiert, wie Ökosysteme funktionieren, wie sich Wasser in Landschaft verhält. Und wenn ich das weiter denke, dann…. es reicht ja nicht Regenerative Landwirtschaft zu machen, selbst wenn wir jetzt alle fruchtbaren Boden hätten und keine Spritzmittel bräuchten, dann gibt es ja noch die anderen Krisen. Wir müssen ein regeneratives Handeln als Menschheit schaffen. Wenn ich verstanden haben, wie die Prozesse in der Natur funktionieren, dann ist die nächste Ebene auch im sozialen und im wirtschaftlichen andere Dinge auszuprobieren. Und da sind wir dann ganz schnell bei Regionalität, dem direktem Bezug zu den Menschen, die das essen, was wir produzieren. Und dann komme ich auch aus dem Weltbild der Konkurrenz raus. Natur ist kein Konkurrenzsystem, das ist ein Kooperationssystem. Aus dem Kontext gerissene Interpretationen von Darwins ‚Survival of the fittest‘ ist mit eine der Ursachen, dass wir heute dieses Bild der Konkurrenz haben. Doch es geht darum, wer am besten angepasst ist, nicht darum wer am stärksten ist. Miteinander kooperieren kann passender sein und damit zu mehr Stärke führen.
Unser Planet ist nicht so erfolgreich, weil er ein Konkurrenz-System ist, sondern weil er ein Riesen-Kooperations-System ist. Entsprechend ist ein Schädling kein Problem sondern ein Symptom. Er erfüllt eine Funktion im grossen Ganzen.
Wunsch an die gute Fee:
Dass Landschafts- und Siedlungsplaner verstehen wie natürliche / ökologische Zusammenhänge funktionieren und dass wir es erreichen das Paradies auf Erden zu erhalten
Tip für youtube: The lessons of the loess plateau (China)